griechische Mysterienreligionen - Orphiker, Platoniker und die Meinung der frühen Kirche [Origines und Augustinus von Hippo]

Bilddarstellung Orpheus mit Lyra unter einem Baum
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Foto Thomas
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Bild: mystische Darstellung der Antike, Orpheus mit Leier.

■ Hatte ich an anderer Stelle die geselligen Tafelrunden der gebildeten jungen Griechen, als eine Art weiterführender antiker Bildungskultur beschrieben, so gab es schon im ältesten Griechenland ähnliche Zusammenkünfte mit einer mehr mystischen Einweihung, bekannt auch unter dem Begriff der antiken Mysterienkulte, zu welcher der Versammlung noch eine Initiation vorgeschoben wurde. Weit verbreitet und uralt war der Eleusis-Kult oder der Initiationsritus der Orphiker. Besonders das Menschenbild der Orphiker zieht sich in verschiedensten Wandlungen durch das Denkbild der Antike und so sei es hier als grundlegendes Beispiel etwas genauer betrachtet:

■ Nach Auffassung der Orphiker trägt der Mensch von Dionysos Göttliches und Gutes in sich, von den Titanen Böses und Verwerfliches. Die im menschlichen Körper eingekerkerte Seele kann ihr Gefängnis nur durch die Einhaltung orphischer Lebensweise und nach mehreren Wiedergeburten verlassen. Diese Seelenwanderung kann durch sittlich einwandfreies Leben und die Einhaltung asketischer Vorschriften abgekürzt werden. Dann wird ein glückseliges Leben im Jenseits erreicht.

■ Die Orphiker waren in der älteren Antike mit folgenden Ansichten progressiv:
dass die Seele an sich göttlich und unsterblich ist, aber für eine Weile (durch Seelenwanderung) einen „schmerzhaften Kreislauf“ von Leben und Tod durchmachen muss; und

dass sie durch asketischen Lebenswandel und geheime Einweihungsriten schließlich aus diesem schmerzhaften Kreislauf entlassen werden und in Verbindung mit den Göttern treten kann; und

dass sie für gewisse Vergehen Strafen nach dem Tod erleiden kann.

■ Die Orphik beeinflusste die Bruderschaft der Pythagoräer, die ebenfalls den Glauben an Seelenwanderung und Unterweltstrafen vertrat. In der Philosophie waren orphische Gedanken in den ältesten Philosophenschulen wirksam, die ihre Betonung der Einheit von Gottheit und Welt übernahmen und so den mehr materialistischen Schulen Vorschub leisteten.

■ Eindeutig orphische Ansichten und Praktiken sind aber auch bei Herodot, Euripides und Platon zu finden, welche diese Gedanken in metaphysische Richtungen weiterführten.

■ Später findet sich jenes Gedankengut in der christlichen Theologie des weltberühmten Origines wieder. Origines gilt auch heute noch als größter Theologe aller Zeiten. In heutiger, streng dogmatischer Theologie mag man so etwas verwerflich finden, doch es war eben nicht nur die jüdische Religion, die durch jenen Jesus von Nazareth neue Sichtweisen erfuhr.

■ Die heidnische Religionsphilosophie, besonders die platonische, stand der Predigt Jesu manchmal näher, als wir heute glauben mögen.

■ Schon in der christlichen Antike sah man die alte jüdische Religion nicht allein als die vorbildende für das Christentum. Auch in der heidnischen Religiosität sah man das Wirken eines Gottes und Offenbarungen.

■ Erinnert sei hier nur an die antiken so genannten "Siebzehn Bücher des Hermes Trismegistos" und an die Schriften des corpus hermetikum der Kirchenväter.

■ Augustinus von Hippo 354-430 n. Chr. [''einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer und ein wichtiger Philosoph an der Epochenschwelle zwischen Antike und Mittelalter'', wikipedia] erwähnte jene heidnischen Offenbahrungsschriften positiv in seiner Schrift "Über den Gottesstaat" [De civitate Dei], indem er den Standpunkt vertrat, dass in den Büchern des Hermes [der symbolische Götterbote] viel Wahres und Gutes über Gott und die Schöpfung stehe.


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