die Bibel in gerechter Sprache - Rezension

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Die Bibel in gerechter Sprache, Herausgegeben von Ulrike Bail, Frank und Marlene Crüsemann, Erhard Domay, Jürgen Ebach, Claudia Janssen, Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leutzsch und Luise Schottroff. Gedruckt im Gütersloher Verlagshaus (3. Auflage Gütersloh 2007)
Eine neue Bibelübersetzung und viel Gerechtigkeit ;-)
Dieses Bibelwerk ist wohl zuerst Ausdruck einer Lebenskultur bestimmter Kreise unserer modernen Gesellschaft. Das Ergebnis dieser Übersetzungsarbeit entspricht dem modernen, sorgenfreien Mitteleuropäer, der wegen jeder vermeintlichen Ungerechtigkeit in der Welt (ein sich selbst auferlegtes) schlechtes Gewissen gern zur Schau trägt. Das gehört zum guten Ton, doch letztlich sind es Pietessen, denen man sich widmet.
Man hat hier vermeintlich antijüdische neutestamentliche Texte geändert und es geht um soziale Gerechtigkeit, etwa "wenn von Sklavinnen und von Sklaven" bisher nur von Mägden und Knechten in der lutherischen Bibel die Rede war ... so etwas wurde geändert.
Doch überwiegend tritt Die Bibel in gerechter Sprache "als neuer Versuch neben die existierenden deutschen Übersetzungen (der Bibel). Sie unterscheidet sich von ihnen nicht nur durch ihr Profil, sondern auch dadurch, dass sie dieses Profil von Anfang an offen legt. Diese Übersetzung verdankt sich Veränderungen des theologischen Denkens ... Sie hat ihre Wurzeln in der Befreiungstheologie, der feministischen Theologie und dem christlich-jüdischen Dialog ...
.. es geht um eine geschlechtergerechte Sprache ... keine Studentin muss sich mehr als Student eintragen lassen ... usw. ... Es ist notwendig, jedes mal auf der Grundlage sozialgeschichtlicher Forschungen zu fragen, ob eine männliche Bezeichnung auch Frauen umschließt und wie in unserer heutigen Sprache der betreffende Sachverhalt bezeichnet würde ..."
Also das altbekannte Spiel: Jünger und Jüngerinnen ... "Kolleginnen und Kollegen, Rentnerinnen und Rentner, Studentinnen und Schülerinnen - wie kein anderes Volk auf der Welt sind die Deutschen ein Volk der Bürgerinnen und Bürger. Doch wo bleiben die Steuerhinterzieherinnen, die Extremistinnen und Schwarzfahrerinnen?" (Bastian Sick - Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod).
Dieses durchschaubare Spielchen - und das ist es - das finden wir, etwa wenn Gott keinesfalls nur männlich dargestellt werden darf. Gott ist ungeschlechtlich! Das mag ja so sein. Obwohl dann schon mal mit "der Ewige" und in der gleichen Zeile mit "die Ewige" ein Wortspiel getrieben wird (also Hermaphrodit). Doch der Satan, jenes Prinzip des Bösen, bleibt im Feministinnendeutsch immer männlich. Oder wenn in der Bibel früher von "Jüngern" die Rede war, so sind es nun Jünger und Jüngerinnen.
Aber (so in dieser Bibel): Hiob opferte Gott, weil er sich sagte: "Vielleicht haben meine Söhne gesündigt ..." (gerecht übersetzt). Doch: hätte es nicht "noch gerechter" so lauten müssen: "Vielleicht haben meine Söhne und Töchter gesündigt .." (Hiob hatte 7 Söhne und 3 Töchter)! ... sehr unterhaltsam diese Form der Bibelübersetzung ...
Wenn ich oben von Pietessen schrieb, so meine ich damit auch folgendes: Leute, die sich solche Neuübersetzungen kaufen, die wissen um die Sprachform und um den Sinn der alten heiligen Schriften genau Bescheid. Warum dann dieser Aufwand an neuerlicher Lehrarbeit. Ja, diese (gern belehrenden und immer alles besser wissenden) Mitbürger können schon eine Last sein. Für unsereinen (armen Belehrungsbedürftigen) wirken solche Übersetzungen elitär oder besser weltfremd?. Ich denke hier nur an das (mein geliebtes) Johannisevangelium: "Am Anfang war die Weisheit" - steht da nun gerechter Weise ... Doktor Faustus hatte es besser übersetzt ...
Jeder Morgenpostleser (ich könnt mich auch irren) weiß wohl mittlerweile um jene Sache mit dem Logos und um dessen philosophischen Sinn. Johannes hat extra diesen Terminus gewählt - er hätte auch gleich "Weisheit" schreiben können - hat er aber nicht. Ich gehe jetzt nicht weiter darauf ein - meine Frau beantwortete mir die Frage nach dem WARUM? : das Wort "Weisheit" ist weiblich ;-). "Der Logos" in griechischer Zunge ist eindeutig männlich. Luther war mit "das Wort" da im Grunde schon recht weit vom Grundtext abgewichen ;-)
Ich finde diesen Johannesevangelium-Prolog nur deshalb sprachlich brisant, weil wir hier auf eine esoterische (mehr mystische) Religiosität stoßen, was hinlänglich bekannt ist. Wenn dann in dem Hymnus an späterer Stelle so "übersetzt" wird: "Der Einziggeborene, der im Mutterschoß des Vaters ist ...", dann wird dadurch der Leser sprachlich, sowie inhaltlich vom eigentlichen Sinngehalt abgezogen und entmündigt. Und dazu noch auf komische Art für belehrungswürdig erklärt. Ich meine damit folgendes:
Gemeint ist ja, wenn vom "Schoß des Vaters" die Rede ist, der zeugende Vater. Fragt sich natürlich, wo die Mutter ist, was aber den monotheistischen Gott in eine dualistische Gottwesenheit aufteilen würde ... doch es ist wohl eher so, dass diesem sonderbaren Gedanken jene esoterische Glaubenslehre unterlegt ist, die Angelus Silesius (1624-1677) später so formulierte: "Wäre Christus tausend Mal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du wärest ewiglich verloren." Das heißt, die der materiellen Erde angehörige Seele (weiblich) gebiert in sich den göttlichen Lebens-Geist der Liebe (Kind) im Herzen des Christen.
Gott ist in diesem Bild nur symbolisch der "Vater", weil er diesen Prozess als innerster Ursprung anstößt. Das Austragen des "Kindes" und dessen Geburt bleibt der Tätigkeit der Seele, also dem Menschen anheim ... (mehr Infos dazu). Das ist zwar eine recht mystische Deutung der christlichen Religion, aber das Evangelium des Johannes geht erwiesener Maßen in diese Richtung.
Das Nichtinteresse an derartigen Inhalten (des biblischen Originaltext) zeigt letztlich eine Spielart heutiger Religiosität: das exoterische Religionsverständnis. "Der Einziggeborene, der im Mutterschoß des Vaters ist ..." das ist hier dann mehr eine kosmische Realität. Jesus als symbolisches Dreigestirn mit einem Mutter/Vater-Gott. Natürlich hat dieses Verständnis sein Recht und seine Aufgaben in der Gesellschaft und es hat nun seine eigene Bibel ;-) ... und es ist wohl mehr mein eigenes Problem, dass ich als Leser dieser neuen Welt der Wortverbesserungen immerzu das Gefühl verspüre, entmündigt zu werden ... letzteres auch in Bezug auf meine Umgangssparache ...
Thomas Jacob, Januar 2008 :-)
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